Jil Runia

Zerfaserte Selbstentwürfe. Autobiographische Metafiktionen im libanesischen und algerischen (Diaspora-)Roman.
[Arbeitstitel]


Lebenslauf

  • 2012–2016 2-Fach-Bachelorstudium der Komparatistik und Islamwissenschaften/Nahostsprachen an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
  • 2016–2019 Masterstudium der Komparatistik an der Universität Bonn
  • Seit 2019 Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung für Vergleichende Literaturwissenschaften/ Komparatistik an der Universität Bonn
  • Seit 2019 Promotion zum Thema „Autobiographische Metafiktionen im libanesischen und algerischen (Diaspora-)Roman“ (Arbeitstitel). Betreuer: Prof. Dr. Christian Moser

  • Prof. Christian Moser (Bonn)
  • Autobiographieforschung, insbesondere metaautobiographische und fiktionale Formen
  • (Arabische) Diasporaliteraturen
  • Arabische Gegenwartsliteratur
  • Raumtheorie
  • Postkoloniale Literatur und Literaturtheorie

In der jüngeren Vergangenheit ist eine Zunahme neuer und kreativer Formen des autobiographischen Schreibens im arabischen Raum zu beobachten. Insbesondere im Libanon ist ein bemerkenswerter Anstieg an faktualen, aber auch fiktionalen autobiographischen Veröffentlichungen nach dem Ende des libanesischen Bürgerkriegs festzustellen. In ähnlicher Weise stieg die autobiographische Produktion in Algerien seit dem Unabhängigkeitskrieg an und erfreut sich einer nicht abreißenden Beliebtheit. Viele der fiktionalen autobiographischen Werke aus Algerien und dem Libanon lassen sich mit Ansgar Nünning als ‚autobiographische Metafiktionen‘ beschreiben. Hiermit sind fiktionale Textformen gemeint, die sich selbstreflexiv methodischen Problemen des autobiographischen Schreibprozesses zuwenden.

Ebenjenen wissenschaftlich bislang selten genau untersuchten Formen möchte ich mich in meinem Dissertationsprojekt widmen. Anhand von Romanen aus Algerien und dem Libanon sowie ihren jeweiligen Diasporagemeinden soll untersucht werden, welche Funktionen das autobiographische Schreiben in den ausgewählten Texten besitzt und durch welche Techniken diese erfüllt werden.

Ausgangshypothese ist, dass die Potentiale fiktional(isiert)en autobiographischen Schreibens von der individuellen Identitätskonstruktion über die persönliche wie gemeinschaftliche Vergangenheits- und Traumabewältigung bis hin zur kollektiven Erinnerungskultur reichen. Dabei zeigen sich solch fiktionale Formen der Autobiographie häufig besonders produktiv im Hinblick auf narrative Kohärenz- und Sinnstiftung, da sie eine gesteigerte Selbstreflexivität ermöglichen. Statt des Erzählens einer Lebensgeschichte kann in ihnen das Verfassen dieser Geschichte selbst den Fokus des Texts bilden und zeigen, wie sich Identität im Prozess des Schreibens konstituiert. Häufig brechen Sie mit den Gattungskonventionen und anstelle eines homogenen, selbstidentischen sowie kohärenten autobiographischen Ichs treten diskontinuierliche und hybride Selbstentwürfe. Diese Brüche und Uneindeutigkeiten erscheinen jedoch nicht als narrative Schwächen. Vielmehr werden sie als Bestandteil des fortlaufenden Prozesses einer jeden Identitätsbildung sichtbar. Das ermöglicht es, gewaltsame Einschnitte in die Identitätskonstruktion – etwa durch traumatische Erfahrungen – als eben solche darzustellen, ohne die entstandenen Bruchstellen retrospektiv zu kitten. Zudem wirken die Texte dadurch, dass kein eindeutiger faktualer Bezug auf einen Autor oder eine Autorin genommen wird, universeller. Sie bieten leicht Identifikationsangebote an viele Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Die Herausforderungen, die zum Beispiel die Verarbeitung des libanesischen Bürgerkriegs, die Rolle der eigenen Eltern im algerischen Unabhängigkeitskrieg, oder das Leben in der Diaspora an die Identitätskonstruktion stellen, werden somit als kollektive Schwierigkeiten dargestellt. Dementsprechend ist diese Art der Literatur auch maßgeblich an der Schaffung eines algerischen respektive libanesischen kulturellen Gedächtnisses beteiligt.

  • „Mobile Verwurzelung: Hybride Heimatkonzeptionen in Randa Jarrars A Map of Home“, in: Dana Bönisch, Jil Runia und Hanna Zehschnetzler (Hg.): Heimat revisited. Kulturwissenschaftliche Perspektiven auf einen umstrittenen Begriff. Berlin: De Gruyter 2020 (im Druck).
  • Zusammen mit Dana Bönisch und Hanna Zehschnetzler (Hg.): Heimat revisited. Kulturwissenschaftliche Perspektiven auf einen umstrittenen Begriff. Berlin: De Gruyter 2020 (im Druck).
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