Aktuelle Forschungsprojekte
Hier finden Sie alle aktuell laufenden Forschungsprojekte der Abteilung für Komparatistik Bonn.
Projekte
Christian Moser
in Kooperation mit Seán Allen und Birgit Münch
Gemeinsam mit Seán Allen (Department of German, University of St Andrews) und Birgit Münch (Kunsthistorisches Institut) verfolge ich o.g. Forschungsprojekt , das im Rahmen eines Collaborative Research Grant gefördert wird und am CERC 1 sowie an dem Transdisziplinären Forschungsbereich ‚Present Pasts‘ (TRA 52) angesiedelt ist. Das Projekt analysiert den Umbau von Öffentlichkeit als Transformation des sozialen Imaginären für die Periode zwischen 1770 und 1815 in Frankreich, Deutschland und Großbritannien. Es nimmt dabei verschiedene Untersuchungsebenen in den Blick:
- theoretische Ansätze, die Öffentlichkeit als national beschränkte und agonistische Sphäre zu denken versuchen;
- Tropen und Metaphern, die es erlauben, eine solche Öffentlichkeit als Einheit zu denken;
- die neuen literarischen Genres und künstlerischen Formen, die als Träger des national kodierten sozialen Imaginären fungieren und eine solche Rhetorik implementieren;
- literarische Texte, die die Möglichkeiten und Grenzen einer solchen Öffentlichkeit in fiktionalen Experimentalanordnungen reflektieren.
Christian Moser und Dana Bönisch
in Kooperation mit Tim Mehigan (University of Queensland) und Maria Boletsi (Universiteit Leiden)
Das Projekt, an dem Tim Mehigan (University of Queensland, Australien), Maria Boletsi (Leiden University) und Christian Moser federführend beteiligt sind, untersucht den Beitrag den (post-) moderne Literatur zur ethischen Reflexion globaler Krisen und Zukunftsfragen (Klimawandel, Migration, Digitalisierung) zu leisten vermag. Die Grundthese des Projekts lautet, dass die Literatur eine spezifische Form von ethischem Wissen zu produziert (ein hypothetisches Wissen, ein Wissen im Modus des Als-ob), das der Komplexität aktueller ethischer Konflikte besser gerecht zu werden vermag als das propositionale Wissen der sich zuständig wähnenden Fachdisziplinen. Ein Band, der unter dem Titel Hermeneutics Between Berlin and Paris: The Search for Ethics erste Ergebnisse der Forschungskooperation präsentiert, wird Anfang 2024 im Druck erscheinen.
Christian Moser
in Kooperation mit Christiane Frey (Johns Hopkins University, Baltimore)
Das Projekt, das ich gemeinsam mit Christiane Frey (Johns Hopkins University, Baltimore) verfolge, untersucht den Wandel kleiner Prosaformen (Apophthegma, Anekdote, Exemplum, Fallgeschichte u.a.) in der europäischen Literatur der Frühen Neuzeit. Konkret soll dabei der Frage nachgegangen werden, welche Rolle die occasio (im doppelten Sinne von Anlass und Gelegenheit) für den strukturellen Umbau der genannten Prosaformen spielt und wie sich diese formgeschichtliche Veränderung auf die grundlegende Transformation literarischer Kommunikationsformen im Übergang vom Barock zur Aufklärung beziehen lässt. Das Projekt ist Teil einer geplanten interdisziplinären Forschergruppe, die sich der Analyse von literarischen, künstlerischen und politischen Praktiken des Okkasionellen in der Frühen Neuzeit widmet.
For a French 4and English 5project description, please see below.
Sabine Mainberger
in Kooperation mit Prof. Dr. Andreas Pfersmann (Université de Polynésie Française)
Hiesige Forschungen zum Pazifikraum interessieren sich oft wenig für das aktuelle Leben der Menschen auf den Inseln. Literatur erfährt kaum Aufmerksamkeit, und allemal die französischsprachige bleibt weitgehend im toten Winkel. Dabei gäbe es gute Gründe, sie zu kennen: Sie ist jung, ökologisch wachsam, phantasievoll, aufrüttelnd, kann sehr zornig sein, aber auch humorvoll und selbstironisch. Sie mischt und erfindet Gattungen, multipliziert die Sprachen, attackiert das Normfranzösisch. Der Historiographie der ehemaligen Kolonialmächte setzt sie ihre eigenen Erinnerungen entgegen und erzählt u.U. eine Gegengeschichte. Der Anteil von Frauen an dieser Literatur ist bemerkenswert hoch; ihnen vor allem scheint daran gelegen, die Gegenwart schreibend mit- und umzugestalten und eine Zukunft ohne Bevormundung zu ermöglichen. Wie jede ‚kleine‘, ‚minoritäre‘ oder ‚emergente‘ Literatur ist auch die des frankophonen Pazifiks politisch und rumort, wenn nicht immer laut, so doch vernehmlich im offiziellen Diskurs.
Unser Projekt ist auf drei Ebenen angesiedelt: (1) Es erschließt frankophone Literatur Ozeaniens für ein deutschsprachiges Lesepublikum und präsentiert erstmals Texte von bedeutenden Autor*innen in deutscher Sprache. (2) Es setzt sich mit den Studien des Ozeanienspezialisten und Ethnohistorikers Serge Tcherkézoff auseinander. In direktem Austausch mit ihm diskutieren wir zentrale Thesen seiner Forschung, z.B. zur Verflechtung europäischer und tahitianischer Geschichte, zur Genese bekannter ‚Südsee‘-Mythen und ihren fatalen Folgen, zu unterschiedlichen Konzepten von ‚Geschlecht‘ und deren Präsenz in den zeitgenössischen Künsten. (3) Mehrere Vertreter*innen der Literatur- und Kulturwissenschaften aus Französisch-Polynesien, Frankreich und Deutschland nehmen die Herausforderung an, die in diesen Forschungen liegt. In unterschiedlich angelegten Untersuchungen fragen sie nach den vielfältigen Verbindungen zwischen zeitgenössischer dortiger Literatur und wissenschaftlicher Anthropologie/Ethnologie.
In Vorbereitung ist eine Publikation mit Texten von Chantal T. Spitz, Titaua Peu, Jean-Marc Tera’ituatini Pambrun, Moetai Brotherson, Titaua Porcher (alle aus Tahiti) und Déwé Gorodé (aus Neukaledonien), mit Essays von Serge Tcherkézoff sowie einem Gespräch der Projektleiter*innen mit ihm und mehreren Aufsätzen aus Literaturwissenschaft und Philosophie.
Der Band wird 2026 Open Access und in Printform erscheinen.
Description du projet en français
Responsables du projet : Sabine Mainberger (professeure à l’Université de Bonn) et Andréas Pfersmann (professeur à l’Université de la Polynésie française)
En Allemagne, les recherches sur l’Océanie concernent rarement la vie actuelle des hommes et des femmes du Pacifique insulaire. Leur littérature est rarement prise en considération et la littérature francophone de cette région est largement ignorée. Il y aurait, pourtant, de bonnes raisons de s’y intéresser. Elle est récente, vigilante sur le plan écologique, imaginative, elle peut secouer, exprimer la rage, mais aussi l’humour et l’autodérision. Elle mélange et crée des genres, multiplie les langues, attaque le français normé. A l’historiographie des anciennes puissances coloniales, elle oppose sa propre mémoire et raconte une contre-histoire. La part des femmes est très importante dans cette littérature. Ce sont elles surtout qui entendent former et modifier le présent par l’écriture et permettre un avenir sans formes de tutelle. Comme toute littérature « petite », « minoritaire » ou « émergente », la littérature du Pacifique francophone est politique et fait entendre ses dissonances sans décibels excessifs, mais de façon audible dans le discours officiel.
Notre projet est conçu sur trois plans. 1) Il rend accessible des pans de la littérature francophone du Pacifique pour un public germanophone et présente pour la première fois des textes d’auteur.e.s de grande valeur en allemand. 2) Il se focalise sur les travaux du spécialiste de l’Océanie et de l’ethnohistoire Serge Tcherkézoff. Dans un échange direct avec lui, nous discutions des thèses centrales de ses recherches, notamment sur l’entrelacement de l’Histoire européenne et tahitienne, sur la genèse de mythes sur les mers du Sud et de leurs conséquences fatales, sur différentes conceptions du « genre » et leur présence dans les arts contemporains. 3) Plusieurs représentants des sciences de la culture de Polynésie française, de France et d’Allemagne relèvent le défi de ces recherches. Dans différentes analyses, ils interrogent les relations nombreuses entre la littérature francophone du Pacifique et les recherches anthropologiques sur la région.
Un ouvrage collectif est en préparation avec des textes de Chantal T. Spitz, Titaua Peu, Jean-Marc Tera’ituatini Pambrun, Moetai Brotherson et Titaua Porcher (Tahiti) et de Déwé Gorodé (Nouvelle-Calédonie), avec des articles de Serge Tcherkézoff, un entretien avec les responsables du projet et plusieurs articles de critique littéraire et philosophique.
Le volume paraîtra en 2026 sous forme imprimée et en open access.
Project leaders: Sabine Mainberger (Bonn University), Prof. Dr. Andreas Pfersmann (Université de Polynésie Française)
Little is known in Germany about the current lives of people in the Pacific region. Literature receives hardly any attention, and French-language literature in particular remains largely in the blind spot. Yet there are good reasons to know about it: It is young, ecologically aware, experimental, often female and, like any ‘minority’ or ‘emergent’ literature, political.
Our project is structured on three levels: (1) It introduces Francophone literature from Oceania to a German-speaking audience and presents texts by important authors for the first time in German. (2) It engages with the studies of the Oceania specialist and ethnohistorian Serge Tcherkézoff. 3) In this context, scholars from literature and cultural studies in French Polynesia, France and Germany explore the diverse connections between contemporary literature and scientific anthropology/ethnology.
A publication is being prepared, featuring texts by Chantal T. Spitz, Titaua Peu, Jean-Marc Tera'ituatini Pambrun, Moetai Brotherson, Titaua Porcher (all from Tahiti) and Déwé Gorodé (from New Caledonia), with essays by Serge Tcherkézoff as well as a conversation between the project leaders and him, along with several essays from literary studies and philosophy.
Franziska Jekel-Twittmann
Das komparatistisch angelegte Projekt erforscht literarische Figurationen von Verunsicherung im Zeitraum von 1865 bis in die Gegenwart. Im Zentrum stehen sowohl die historische Entwicklung der Begriffe Unsicherheit und Verunsicherung als auch literarische Figurationen von Verunsicherung, insbesondere im Rahmen von Krisen- und Umbruchsituationen. Besondere Schwerpunkte liegen auf der Zeit um 1800, der Zeit um 1900 sowie der Gegenwart, die jeweils eigene Ausprägungen von Verunsicherung erkennbar werden lassen. Basierend auf einem wissenspoetologisch orientierten Zugang werden die literarischen Analysen mit Unsicherheitsdiskursen der jeweiligen Zeit in Beziehung gebracht. Das Projekt nimmt in den Blick, auf welche Weise literarische Texte nicht nur auf die jeweiligen Unsicherheiten ihrer Zeit reagieren, indem sie politische, gesellschaftliche und ästhetische Diskurse aufgreifen und reflektieren, sondern wie sie ihre eigenen, spezifisch literarischen Figurationen von Verunsicherung entwerfen und diese poetologisch reflektieren.
Franziska Jekel-Twittmann
in Kooperation mit Myriam-Naomi Walburg (Université de Liège)
Das Projekt befasst sich mit den im Übersetzungsprozess inhärenten Instabilitäten. Den Ausgangspunkt bildet die Beobachtung, dass im wissenschaftlichen wie auch im medialen Diskurs derzeit vielfach konstatiert wird, der Kontakt mit dem kulturell ‚Fremden‘ führe zu Verunsicherung. Anstatt der Annahme nachzugehen, dass Übersetzungen solche Verunsicherungen minimieren, indem sie das Unbekannte verstehbar machen, geht das Projekt von der umgekehrten These aus: Jeder Übersetzung ist per se ein Moment der Verunsicherung eingeschrieben, da Übersetzungen unweigerlich den Prozess ihrer Entstehung in sich tragen und daher auf dessen Unabgeschlossenheit verweisen. Aufbauend auf die im November 2022 in Mainz durchgeführte Konferenz „Instabile Translationen. Verunsicherung als poetisches Prinzip der Übersetzung“ entsteht derzeit in Kooperation mit Myriam-Naomi Walburg (Université de Liège) ein Sammelband. Die Beiträge fokussieren Texte vom 17. Jahrhundert bis in die Gegenwart, wobei ein Schwerpunkt auf den reichhaltigen Übersetzungsdiskursen der Zeit um 1800, ein weiterer Schwerpunkt auf den vielfältigen mehrsprachigen Texten der Gegenwartsliteratur liegt.
Habilitationsprojekt
In den letzten Jahrzehnten hat sich in Theorie und Philosophie implizit ein neues Paradigma der Relation herausgebildet: Der Tropus des entanglements, also der Verknäuelung / Verflechtung / Verschränkung, ist zentral für posthumanistische Denkfiguren im engeren Sinne, aber auch für andere neuere Ökologiekonzepte. Während der ubiquitäre Netzwerkbegriff Verbindungen zwischen separaten Punkten impliziert, verweist entanglement auf ein irreduzibles Geflecht; nicht auf Interkonnektivität also, sondern auf relationale Bündel von Beziehungen. In diesem Projekt wird eine kritische Begriffs- und Ideengeschichte des entanglements entwickelt, die nicht zuletzt eine schärfere Ausdifferenzierung posthumanistischer Positionen erlaubt. Ausgehend von einer Vielzahl theoretischer und fiktionaler Texte – nicht nur aus dem 21. Jahrhundert, sondern punktuell bis ins 17. Jahrhundert hinein – soll schließlich eine Theorie des Relationalen entworfen werden, die Ethiken und Poetiken des entanglements auch vor der Folie des Globalen und des Planetarischen in den Blick nimmt und ökologische mit postkolonialen Aspekten verbindet.
in Kooperation mit Katia Schwerzmann (Bauhaus-Universität Weimar), Marietta Kesting (Akademie der Bildenden Künste, München) und Hanna Zehschnetzler (Universität zu Köln)
Das Projekt untersucht literarische, künstlerische und mediale Praktiken, die die Verflechtungen zwischen Globalem und Planetarischem, Globalisierung und Klimakrise, ‚recorded history‘ und ‚deep history‘ sichtbar machen. Über die konkrete Frage nach Kunst als (klima)politischer Imaginationspraxis will das Projekt einen Beitrag zu inter- und transdisziplinärer Arbeit im Sinne der „Critical PostHumanities” (Braidotti 2019) leisten. Mit diesem Terminus ist nicht etwa gemeint, dass das Ende der Geisteswissenschaften gekommen sei; Braidotti formuliert im Gegenteil eine ungebrochene Relevanz geisteswissenschaftlicher Fragestellungen und Kompetenzen gerade in einer Zeit, in der Technologien allumfassend geworden sind und die Verflechtung von Ökologie, Biologie, Politik und Ökonomie derart augenfällig ist.
Promotionsprojekt
Seit dem 18. Jahrhundert hat das Adoptionskind einen festen Platz im Personeninventar der Literaturgeschichte; eine über Einzelarbeiten (Schneider 2002; Pethes 2011) hinausgehende, theoretisch fundierte Forschungsarbeit zu diesem Phänomen steht bislang aber noch aus. Hier findet das vorliegende, komparatistisch ausgerichtete Promotionsvorhaben seinen Einsatzpunkt: Vor dem Hintergrund der grundlegenden Umstrukturierung des Gesellschaftssystems in der Moderne (Luhmann 1993; 1998) sollen die konstitutiv an der Schwelle zwischen Natur und Kultur lokalisierbaren Adoptionserzählungen in ihrer Funktion als produktive ‚Störfälle‘ für ein Reihe von damit verbundenen Neucodierungen (u.a. des Familiendiskurses und des Nationalstaats; der sexuellen und kulturellen Reproduktion, von Identität und Differenz) in den Blick genommen werden. Dabei wird zu zeigen sein, dass der Adoption (von lat. ad + optāre: wählen/erwünschen) in ihrer Aneignungs- und Substitutionslogik auch eine ästhetische und poetologische Qualität zukommt.
Jil Runia
Promotionsprojekt
Das Projekt beschäftigt sich mit Romanen in autobiographischer Form, häufig auch ‚fiktionale Autobiographien‘ genannt. Fiktionale Texte, deren ‚autobiographisches Ich‘ nur vorgeblich auf eine existierende Autorinstanz verweist, sind bislang kaum ausgiebig erforscht worden. Anhand von Beispielen aus Algerien und dem Libanon sowie ihren jeweiligen Diasporagemeinden soll untersucht werden, welche Funktionen das autobiographische Schreiben in den ausgewählten Texten besitzt und durch welche Techniken diese erfüllt werden. Dabei wird von der Hypothese ausgegangen, dass von Romanen in autobiographischer Form nicht selten Innovationsimpulse ausgehen, die auch von ihren faktualen Pendants aufgegriffen werden. Insbesondere gilt dies für Modelle individueller wie auch kollektiver Identitätsarbeit. Mit seinem Fokus auf zwei arabische Literaturen rückt das Vorhaben dabei von einer in der Autobiographieforschung lange Zeit vorherrschenden eurozentrischen Perspektive ab.
Kontakt
Birgit Groth
Sekretariat
Links
- https://www.cerc.uni-bonn.de/de
- https://www.uni-bonn.de/de/forschung-lehre/forschungsprofil/transdisziplinaere-forschungsbereiche/tra5/home
- https://www.iglk.uni-bonn.de/de/institut/abteilungen/vergleichende-literaturwissenschaft/personen/moser#MPB
- https://www.iglk.uni-bonn.de/de/institut/abteilungen/vergleichende-literaturwissenschaft/forschung/aktuelle-forschungsprojekte#SFR
- https://www.iglk.uni-bonn.de/de/institut/abteilungen/vergleichende-literaturwissenschaft/forschung/aktuelle-forschungsprojekte#SE